Letzte Helden Hamburg, Elbe

20.11 - 21.11.2004 Runder Saisonausklang an der Elbe

Da der erste Start am Samstag bereits um 09:00 Uhr sein soll, ist ein Bootsaufbau erst morgens zeimlich knapp, denn es wird zu dieser Jahreszeit ja erst gegen ca. 07:30 richtig hell. Mit Genehmigung der netten und hilfsbereiten Geschäftsstelle des BSC können einige ihre Boote deshalb bereits ein Wochenende früher zur Elbe bringen. Lediglich der Hinweis auf theoretisch denkbare Hochwasser sorgt für einen Moment Nachdenklichkeit, aber in den letzten Jahren gab es wenig Probleme. Also abgehakt.

Die Situation ändert sich am Mittwoch abend, als ich - beruflich unterwegs und knapp 2000 km von Hamburg entfernt - gegen Mitternacht eine Nachricht vom BSC auf meiner Mailbox finde, in der mir die gleiche nette und hilfsbereite Stimme von einer angekündigten Sturmflut mitteilt - "aber kein Grund zu Besorgnis, vielleicht wird es gar nicht so schlimm" - und auf den telefonischen Hochwasser-Ansagedienst verweist. Dieser spricht tatsächlich von 2.5m über mittlerem Hochwasser, aber ist das nun viel oder wenig. Fragen kann ich jetzt keinen mehr und ohne weitere Informationen erscheint eine telefonisch ferngesteuerte Alarmierung anderer Betroffener zu dieser Tageszeit fragwürdig.

Am nächsten Morgen gegen kurz nach 06:00 Uhr ist der amtliche Hochwasser-Ansagedienst offenbar bereits vollständig überlastet, man bekommt keine Verbindung mehr. Das bedeutet eher nichts Gutes. Also nun doch noch ferngesteuerter Alarm. Ich klingele die Hamburger Liste durch und nach müdem Murren erklären sich Jürgen Anton und Stefan Roth bereit, zum BSC zu fahren und dort für alle Betroffenen nach dem Rechten zu sehen.

Nun überschlagen sich die Ereignisse. Bruno Laudage ist bereits vorort und berichtet von bauchhohem Wasser an dem Platz, an dem die Boote einmal standen. Windböen von ungemessener Stärke. Eine kleine Truppe von Helfern des BSC ist seit 02:00 Uhr nachts damit beschäftigt, durch Festbinden alles Flugfähige vor dem Wegfliegen und alles Schwimmfähige vor dem Wegschwimmen zu bewahren. Für einige Boote kommt aber jede Hilfe zu spät, unter anderem Jürgens 505er ist offenbar abgehoben, auf dem Mast gelandet und nach dessen Bruch durch Wind und Wellen noch eine bisschen an Trailern und anderen Gegenständen herumgescheuert. Ein trauriger Anblick.

Für die meisten Boote ging die Sache jedoch glimpflich aus, auch wir hatten an unserem "Museumsstück" (alter Vollholz-505er) zum Glück nur einen dicken Kratzer, der sich aber problemlos reparieren läßt. Da das Wetter anhalten soll, werden die Boote auf die zum Winter ausgehängten und an Land gelegten Bootsstege gehoben und festgebunden. Auf dem Photo sieht man, daß die Boote dort zumindest "höher und trockener" stehen. Die Höhe des Seegrases an der Fahnenmast-Verstagung deutet an, bis wo das Wasser stand. Jürgen und Stefan sind zusammen mit den BSC-Helfern mehrere Stunden beschäftigt, die Boote zu sichern. An dieser Stelle sei allen Beteiligten noch einmal ein großer Dank ausgesprochen. Die verbleibenden Tage bis zur Regatta verlaufen ruhiger als vorhergesagt. Aber es wird kälter...

Nachdem man in den letzten beiden Jahren fast im Shorty, zumindest aber mit offenem Trockenanzug fahren konnte, sind für dies Wochenende Kälte, Schnee und Regen angesagt. Der Wecker klingelt kurz nach 05:00 Uhr, die letzten Klamotten verschwinden im Auto und wenig später fahre ich durch verlassene Hamburger Strassen Richtung Elbe. Dort angekommen ist es immer noch stockdunkel. Wie sollen Auswärtige ohne Einweisung die Clubeinfahrt bei Dunkelheit bloß finden? Im spärlichen Licht einiger Laternen kann man sehen, daß inzwischen die gesamte Jollenwiese voll mit Booten steht. Es ist wirklich kalt, ich bin müde und habe kein Zeitgefühl. Zum Glück ist das Boot schon aufgebaut, wir müssen nur noch die Segel hochziehen. Zu viel mehr wäre ich auch nicht in der Lage. Der erste Kaffee schmeckt guuuut.

Da Jürgen Anton seinen Helden-Spam auf ein geradezu charmantes Niveau heben konnte, haben sich 24 505er angekündigt (neben weiteren 40 Booten anderer Klassen). Als gegen 07:30 Uhr das Tageslicht in grauem Himmel angeknipst wird und wir die ersten Gesichter identifizieren können, stellen wir fest, daß zwar nicht alle erschienen sind, aber mit 18 startenden 505ern haben wir auch in diesem Jahr wieder ein gutes Feld, das sich aus traditionellem "Helden-Urgestein" und echten Newcomern zusammensetzt. So zum Beispiel Markus Hintz, der sich von dem angekündigten Wetters nicht abschrecken ließ und es später trotz Kenterungen sogar nicht einmal bereut. Tapfer!

Ab 08:30 Uhr rollen die Boote die Slip hinunter. Die Entsorgung der Slipwagen wird vom 1.Vorsitzenden des BSC persönlich und tatkräftig gemeinsam mit Seglern der Jugendabteilung organisiert. Sehr sympatisch und hilfreich. Slipwagen suchen muß man später sowieso. Aufgrund der engen Gegebenheiten dauert die Slip-Prozedur wieder einmal lange und der erste Start verzögert sich etwas.

Während wir auf dem Wasser auf den Start warten stelle ich fest, daß ich immer noch nicht wach bin, obwohl es dazu eigentlich kalt genug ist. Plötzlich ist START. Links ist besser und es geht bei Trapezwind Richtung Luvtonne. Auf dem Weg deutet sich an, daß wir ganz gut liegen und wir bemerken, daß wir gar nicht wissen, welchen Kurs wir segeln. Die Segelanweisung liegt an Land. Meine Schuld. Glücklicherweise fahren dann Fritz und die Bogackis vor, so daß wir folgen können.

Der Raumgang kündigt durch spitzen Druck kurz an, daß sich demnächst etwas ändern soll. Und tatsächlich kann man in Luv bereits eine breite schwarze Wolkenfront sehen. Kurz nach dem Leefaß bricht es dann über uns herein. Schnee und Hagel aus allen Rohren. Das Gesichtsfeld beschränkt sich auf das eigene Boot, ab und zu ein Blick in die Segel. Von anderen Booten sehen wir nicht mehr viel. Der Versuch, die Luvtonne auszumachen, scheitert an den Schmerzen, die Hagel in offenen Augen verursacht. Mit geschlossenen Augen geht es aber auch nicht. Also erst einmal weiter.

Auf dem Downwind herrscht im Boot akute Unfallgefahr. Schnee und Hagel haben die Tanks derart glatt gemacht, daß man sich kaum halten kann. Der Boden sieht auch nicht besser aus. Um die Lenzer gurgelt ein Gemisch, daß eindeutig nicht flüssig ist. Jetzt bloß nicht ausrutschen und das Boot verreißen. Die Spimanöver dauern länger als sonst. Ich fühle mich immer noch ein bißchen müde, kalt und kraftlos. Aber der Wind kommt jetzt von hinten, man kann vorwärts sehen, kein Schwerz in den Augen. Mit ein bißchen Welle rauschen wir zur Leetonne. So macht das Segeln wieder Spaß.

Auf der Kreuz schneit es immer noch aus vollen Rohren. Es ist voller Trapezwind und man kommt auf buckeliger Piste zügig voran. Man sieht ziemlich wenig. Irgendwo im Schnee ist auf halber Strecke das Startschiff auszumachen. Naja, dazu kommen wir später. Nein, was ist das? Tim Böger steht neben dem Startschiff schon mit offenen Segeln. Wir müssen ins ZIEL! Verdammt, man sollte die Segelanweisungen doch lesen. Selbst mit gefierten Schoten können wir nicht mehr verhindern, daß Lars und Nikolai uns noch locker unten durchfahren.

In der Pause gibt es wie jedes Mal den traditionellen Glühwein, der freundlich und lächelnd von den Schlauchbooten ausgeschenkt wird. Eine hervorragende Einrichtung. Lebenserhaltungssaft oder - wie nach Abstimmung mit der Wasserschutzpolizei offiziell akzeptabel betitelt - Fliederbeersaft.

Das Warten auf den letzten Piraten zieht sich in die Länge, aber es schneit nicht mehr. Endlich geht es in die zweite Runde. Nun kennen auch alle den Kurs und bei zwar grauer, aber zumeist schneefreier Sicht spielt Taktik wieder eine Rolle. Nach dem zweite Lauf haben wir das Gefühl, nun zu wissen, wo wir im dritten Lauf hinfahren müssen. Zieldurchgang, Pause mit Fliederbeersaft ... nein, doch nicht! Heute wird keine dritte Wettfahrt mehr gesegelt. Später darauf angesprochen erklärte der Wettfahrtleiter, daß das ablaufende Wasser für einen dritten Lauf vermutlich nicht mehr gereicht hätte und außerdem auf vielen Booten Erschöpfungserscheinungen sichtbar waren. Na gut. Gegen 12:30 Uhr sitzen wir im warmen Clubhaus bei Speis und Trank und Klönschnack. Auch gut.

Der Nachmittag ist gemütlich, die Abendveranstaltung von Jürgen Anton bereits organisiert. Nach und nach verabschieden sich viele für einen Pit-Stop im Schlafsack.

Die Nacht ist sternenklar. Am nächsten Morgen ist es richtig glatt auf den Strassen. Die Persennige haben Platten-Charakter und es fällt schwer, sie gefroren zu falten. Diejenigen, die ihren Spi über Nacht im Boot gelassen haben, können sich nun damit beschäftigen, den in der Trompete festgefrorenen Spi ohne Beschädigung wieder herauszuholen.

Gegen 07:30 Uhr bietet sich ein sagenhaftes Bild. Es ist wolkenfrei und die Sonne geht an einem orange-roten Winterhimmel auf, davor sieht man, wie Segelboote auf nur leicht bewegtem Wasser lautlos dahin-"ghosten". Wir sind eines der ersten Boote im Wasser. Es ist ein herrlicher Morgen und das Panorama von Elbe und Blankenese, vom Boot aus segelnd bei leichter Brise betrachtet, entschädigt für alle Unannehmlichkeiten des Vortages. War da etwas?

Der Start verzögert sich nur wenig und bei durchweg akzeptablen Wetter und gleichem Wind bekommen wir weitere 3 Wettfahrten durch. Wieder mit dem inzwischen routinierten "Pausenservice". Die letzte Pause fällt für die 505er sogar kürzer aus, weil parallel zum Zieldurchgang der anderen Klassen bereits wieder gestartet wird. Der Beifall der 505er zu dieser Maßnahme konnte allerdings den BSC noch nicht dazu bewegen, dies auch für die Zukunft zu garantieren, weil es zu stark vom Startschiff und der verfügbaren Mannschaft abhängt. Vielleicht klappt es ja doch.

Der Rest ist Routine. Die Boote sind schnell verpackt und nach der Preisverteilung und dem allseitigen Wunsch, gut durch den Winter zu kommen, leert sich das Gelände schnell. Wir haben ein abwechslungsreiches Wochenende hinter uns, mit netten Leuten, guter Organisation und wenig Bruch. Die Letzten Helden empfehlen sich für das nächste Jahr...

Andreas Jungclaus
505er GER 6816
HSC Hamburg