EM 2019 Sonderborg

Weltmeisterschaft San Francisco, USA

25.09 - 01.10.2023


San Francisco. WM. Wieder einmal. Aber diesmal sollte alles anders werden. Kurz zur Erinnerung: 2009 haben wir die WM dort am Ende der San Francisco Bay bei 30 bis 38 kn gesegelt. 38 kn waren schonmal eine Ansage, aber dass man nach den Rennen auch noch 1 1/2 Stunden nach Hause kreuzen musste und sich vorher hoffentlich einen Trockenanzug zugelegt hatte, weil es dort im August brutal kalt ist, lies viele Teams aus Übersee recht zurückhaltend melden.

 

So waren wir nur drei rein deutsche Boote und zwei mit deutscher Beteiligung, Johannes Tellen segelte mit Michael Quirk, Angela Stenger trat mit Ali Meller an. Dazu wollten Holzapfel/Wittemer, Dasenbrook/Stieglitz und Böger/Böger ihr Bestes geben. Insgesamt waren 60 Boote am Start.

Angekündigt war Ende September als die wärmste Zeit des Jahres in San Francisco und mit 10 bis 25 kn sollte auch der Wind eher moderat sein. Und ein wichtiger Punkt stand noch auf der Haben Seite: der St. Francis Yachtclub ist einer der coolsten Clubs der Welt. Ein Beispiel: man kommt vom Wasser, geht in die Umkleide wo vor der Dusche Handtücher gereicht werden und die Duschutensilien selbstverständlich in den Duschen vorhanden sind. Ein weiteres: jeden Tag gab es nach dem Segeln Dinner satt. Es wurde erst dann kein Essen mehr nachgebracht, wenn etwas übrig blieb. Auch beim Bier gab es kein Limit. Außer der eigenen Müdigkeit.

 

Soweit zum Setting. Dann ging es zu den Preworlds, 23. und 24.9., die gleichzeitig die North American Championchips waren, aufs Wasser. Die Bedingungen waren wie versprochen, 10 bis 18 kn, sonnig. "Warm" war es nicht, aber gute Temperatur und an Land waren Shorts durchaus drin. Das Wasser selbst hatte 17°. Am ersten Tag starteten wir in Luv von Alcatraz und kreuzten hoch zur Golden Gate Bridge. Natürlich eine fantastische Kulisse. Am zweiten Tag testeten wir ein Reserverevier mit weniger Strom und weniger Berufsschiffahrt dichter vor der Skyline von San Francisco, aber mit längerem Heimweg.

 

Der Strom am ersten Tag war aber nicht dramatisch, eher wie in Norderney und so war die einhellige Meinung, dass wir vor Alcatraz segeln wollten. Und auch der Schiffsverkehr war am 2. Tag überraschend. Unser Start zum 2. Rennen wurde verschoben, weil gerade ein Tanker, ca. 200 m Länge, genau durch den Parcour fuhr. Leider hatte der genau mitten auf der Bahn einen Maschinenschaden und musste unmittelbar Anker werfen und lag fortan fast mitten im Kurs.

 

Egal, waren ja nur die Preworlds, die wir ganz zufriedenstellend beendeten, Alex und Arne auf 9, Tim und Finn auf 10. Top Ten auf der WM wäre schonmal ein lohnenswertes Ziel und hier anscheinend möglich. Wir sahen der folgenden Woche also gespannt entgegen.

 

Nach einem Vermessungstag mit Open Ceremony (Essen + Trinken natürlich gut) ging es dann am 26.9. zu den ersten beiden Rennen raus. Es war etwas mehr Wind, der von 18 auf 25 kn während des Tages zulegte.

 

Und es war eben der erste Tag. Der erste Tag auf einer wichtigen Regatta ist bei mir immer so etwas wie der dritte Tag beim Skilaufen. An diesem fährt man besser zurückhaltend oder gar nicht, weil das Verletzungsrisiko statistisch am 3. Tag am höchsten ist. Die Leute fühlen sich dann schon sicherer, trauen sich mehr, sind aber nicht wirklich sicherer, überschätzen sich und machen Fehler. Ich sollte auch den ersten Tag am besten nicht segeln. Es ist zwar nicht so, dass ich mich überschätze, aber es müssen die Nerven sein, die regelmäßig dazu führen, dass ich mit dem Streicher beginne. Und da es bei der WM zwei Streicher gibt, haben wir konsequent zwei superschlechte Ergebnisse eingefahren.

Als wir bei der ersten Luvtonne schlechter als 30 ankamen, war die Stimmung nicht die beste. Und uns war klar, dass Alex unser ständiger Lieblingsfeind auf dem Wasser, weit vor sein würde. Aber nein, auch Alex hatte einen grottigen Start. So auch beide im 2. Rennen und wir haben uns dann also schön hinten angestellt, um uns in den folgenden Tagen von Platzierungen in der 2. Hälfte der 20er mühsam nach vorne zu kämpfen.

 

Im Vergleich zu den Preworlds war der Wind eben auch deutlich stärker, was die Locals stark bevorteilte. Auch der Strom war stärker geworden als in den ersten Tagen, was die Locals nochmal begünstigte. Denn der Strom war zeitweise sehr ungleich über den Kurs verteilt. Wenn man dort zur Vorbereitung über 60 Tage gesegelt hat wie die späteren Welt- und Vizeweltmeister, dann weiß man sehr viel besser Bescheid.

 

Tag zwei begann mit Nebel und Erinnerungen an 2009 wurden wach. Auch auf dem Wasser war jetzt der Spaß mit Einsteigerwind vorbei. Am Ende hatten wir 32 kn, die aber noch um 4 kn aufgewertet wurden, weil wir z.T. 4 kn Strom gegen Wind hatten. Gefühlt also 36 kn. Das führt dann bei der daraus resultierenden extrem eckigen Welle dazu, dass 10% der Masten der Flotte einfach durchbrechen oder verbiegen. Das betraf vor allem älteres Material, dass einfach in Höhe von Sahlingen oder Lümmel oder Deck nachgibt und der Mast ist Geschichte. 

 

Dass die Bedingungen aber nicht trivial waren, zeigt auch, dass der spätere Weltmeister Mike Martin und der Vizeweltmeister von 2023, Nathan Batchelor, je 2x gekentert sind. Auch wir begannen den ersten Downwind mit Nosedive und Kenterung. Machte aber weniger als gedacht, weil wir nach dem Aufrichten vor uns haufenweise umgefallene Boot umkurven konnten. Am Ende waren wir dann wieder 15.

 

4 kn Strom sind übrigens eine spezielle Angelegenheit: bei super Gleitbedingungen spitzt man ja unter Spi schön an, halst und fährt zum Leegate. Wenn man mit kräftigen Böen rechnen muss, so wie hier, halst man eher etwas zu früh, um nicht bei einer kräftigen Bö zu weit nach Lee zu geraten und dann den Spi zu früh runternehmen muss. Das durften wir hier nicht machen, denn dann wurde man durch den Strom locker 100m oder mehr wieder Richtung Luvtonne gespült. Man musste also den Strom sehr gut vorausberechnen, um genau bei der Tonne anzukommen. Extrem schwierig bei dem böigen Wind. Ja ja, ich sehe, wie du, Leser, gerade denkst, ist doch egal, dann machst du eben 2 Halsen mehr. So einfach war es nicht (bei 30 Knoten ist das ja ohnehin nicht so einfach), denn der Strom wurde Richtung Leetonne, also Richtung andere Seite immer stärker. Wer da zu früh oder zu weit reinfuhr, hatte eh verloren.

 

Also Tonne treffen war King. Wenn man gut war, dann fehlten nur 10 m bis zur Rundung. Also nur ein kurzes Stück vor den Wind gehen und um die Tonne. Aber huch, da feuert man auch platt vorm Laken immer noch ganz gut nach Lee. Aber die Tonne rast eben mit 4 kn und dicker Bugwelle auch ganz schön schnell nach Lee. Wer dann den Fehler machte, den Spinnaker vor der Tonne wegzunehmen, also bevor das Heck ganz klar in Lee und an der Tonne vorbei war, der kam plötzlich nur noch in Zeitlupe an der Tonne vorbei (bei weniger Wind fast gar nicht). 

 

Dass auch die Wettfahrtleitung nicht sofort richtig verstanden hatte, was der Strom bedeutet, zeigte ein Start bei nur schwachen 2 kn Strom, die aber genau gegen den Pfadfinder liefen. Bei der in diesem Moment herrschenden Windstärke von ausnahmsweise nur 8 kn und dem üblichen Startzeitfenster von nur 2 Minuten, schaffte der Pfadfinder es in 30 Sekunden nicht, an der Starttonne vorbeizukommen. Das Feld stapelte sich also vor, neben, auf und unter dem Pfadfinder, der nur wegwenden konnte. Der Start musste verschoben werden bis der Strom nachließ und der Wind zunahm.

 

So ging es immer weiter, bei meist kräftigem Wind und am Ende sagte auch Mike Martin, inzwischen fünffacher Weltmeister: "Die Woche hätte für uns nicht besser laufen können, aber es war definitiv eine harte Woche, die Regatta war alles andere als einfach zu segeln."

 

Ähnlich äußerte sich Nathan Batchelor, der seine sechste Weltmeisterschaft bestreite: "Die Strömung ist eine große Herausforderung. Ich habe in Großbritannien segeln gelernt, wo die Tide bis zu 14 Meter beträgt, das ist enorm, also bin ich an die Strömung gewöhnt, aber in der Bucht hier ging es mehr darum, wie, wann und wo die Strömung sich verändert", sagte er. Denn anders als an der Nordsee hat sich die Tide über die 10 Tage, in denen wir dort waren von 0,60m auf über 2,50m gesteigert - und damit auch die Strömung.

 

Auch interessant: der Wettfahrtleiter gab zu Protokoll auf die Frage, wie es war im tiefen Wasser (150m) vor Alcatraz Tonnen zu legen im Vergleich zum Berkley Circle wie 2009, wo es nur 5m tief ist: "Mein 37-köpfiges Freiwilligenteam hat sehr hart daran gearbeitet, diese Änderung zu verwirklichen". Man beachte die Zahl der Köpfe, selbst wenn da wohl auch der Hundesitter vom Tonnenleger mitgezählt wurde.

 

Fazit: auch diese WM war ein tolles Erlebnis und ich kann euch nur raten, nehmt solche Events in Angriff. Nächstes Jahr in Varberg sind die Bedingungen auch wieder humaner. Ich hoffe, auf eine große deutsche Flotte in Varberg 2024. Mehr Bilder sind gewünscht? Zu Recht. Dann schaut hier: Bilder Bilder Bilder und ein Video.