Herbst Pokal Zwischenhahn

18.09 - 19.09.2005

Der Landkreis Aurich hat deutschlandweit nicht nur den höchsten Anteil an SPD-Wählern auf hundert Einwohner, sondern auch an Topfpflanzenproduzenten. Das konnte ein handverlesener Kreis von 505er-Seglern am Wochenende der Bundestagswahl lernen. Von Aurich ist es mit einem gut motorisierten VW Passat nur ein Katzensprung nach Zwischenahn: Herbstpokal der 505er.

Nicht ganz ein Katzensprung ist es, wenn man von Duisburg (zweithöchster Anteil von SPD-Wähler, keine Topfpflanzenproduzenten) oder noch schlimmer, von Köln Mülheim anreist.

Reiner und ich, mittlerweile Stammgäste mit reservierter Ausziehcouch bei Lars Dehne in Aurich, haben uns diesmal fest vorgenommen, pünktlich, d.h. mindestens eine Stunde vor Nikki und Lars, anzureisen, um Bluthochdruck beim Bootsaufbau zu vermeiden. Der Plan wackelt bereits auf Bahnsteig 4 in Köln Mülheim. Es ist 5.59 Uhr und die Lok ist kaputt. Reiner sitzt zu dieser Zeit noch beim Frühstück in Kempen, Nähe Duisburg, und ist genauso ratlos wie ich - allerdings ist es dort wärmer als auf Bahnsteig 4.

Wider Erwarten sind wir dann doch eines der ersten Teams in Zwischenahn - lediglich Andreas Jungclaus mit seinem Holzdampfer ist schon fertig zum Auslaufen. Der See zeigt sich von seiner friedlichsten Seite. Mein Blutdruck ist der feuchte Traum eines jeden Hausarztes.

Die Partnerbörse von Lars ("...bereit zum Positionswechsel...") hat einen ganzen Haufen norddeutscher Blondinen hervorgebracht, die nun alle von Klaus Heeschen bedient werden müssen ("Ich weiss nicht, ich soll hier mit ner Blonden segeln, die Nele heißt"). Wenn auch nicht jeder zum Positionswechsel bereit ist, hemmungsloser Partnertausch findet trotzdem statt: Boris Herrmann segelt mit Rainer Görge, Jens Findel mit Carsten Engel, und Bernd Rasenack hat auch eine Crew, die bei der WM noch nicht dabei war. Insgesamt sind 14 Boote gemeldet, letztlich landen 12 in der Wertung.

Lars und Niki kommen mit Doppeltrailer eine halbe Stunde vor geplanten Start. Die Begrüßung fällt dementsprechend knapp aus. Was wohl mein Hausarzt dazu sagen würde?

Wir teilen uns den See mit den OK-Jollen, den Lasern und den Tasar, einer Bootsklasse, die ich zum erstem Mal in meinem Leben sehe, die aber angeblich international besetzt sein soll. Petrus spielt mit der Regattaleitung Katz und Maus: bestimmt zehnmal dreht der Witzbold zehn Sekunden vor dem Start den Wind um 20 Grad. Die Regattaleitung macht entschuldigende Gesten (Schulter zucken, Arme heben), wenn immer ein Boot am Startpram vorbeifährt. Schon o.k., kein Segler wollte in diesem Moment mit den Jungs tauschen. Immerhin scheint die Sonne.

Endlich ist es dann auch für die Fiven soweit. Nach den unendlichen Weiten der WM-Bahnen ist die Startkreuz auf gefühlte Erlebnisbadgröße zusammengeschrumpft. Petrus dreht weiter am Rand, die ca. 2 Windstärken kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Auch nicht ganz einfach ist das Herauspicken der richtigen Wendemarken aus dem ausgelegten Bojenkreis. Große Freude bei uns über zeitweise Plätze zwischen 3 und 6: man hat immer jemanden Ortskundigen vor sich, dem man hinterhersegeln kann.

Boris Herrmann und Rainer Görge machen das Ding für sich klar, gefolgt von Jens und Carsten, Claus und Nele, und schließlich Bernd Rasenack, der sich mit dicken Backen noch vor uns über die Ziellinie pustet, damit wir den Bericht schreiben dürfen.

Exzellent ist der Service auf dem Verpflegungsboot, das vor dem zweiten Lauf Bier, Apfelschorle und einen köstlichen Bienenstich verteilt. Der Fußabdruck mitten im Kuchen zeugt von den Positionskämpfen auch in der Pause, diesmal um die größten Stücke.

Der Wind frischt auf, jetzt schon stramme 2-3. Im Ziel wieder Boris und Rainer vorne. Diesmal sind auch Nikki und Lars mit vorne dabei - in der Pause zwischen erstem und zweiten Lauf werden die Minuten, die morgens gefehlt hatten, genutzt, um die Großschot durch die Blöcke zu ziehen und den Spinnaker richtig herum anzubinden...

Abends dann ein phantastisches Buffet, all you can eat in warm und kalt. Zum Nachtisch gibt es Franziska Unkelbachs Videoaufnahmen von den Pre-Worlds - eine nette Gelegenheit, ein bisschen Seemannsgarn im Nachgang zur WM zu spinnen ("...als ich Hunger und Jess beim Start abgeklemmt habe..."). Der Ausflug in die lokale Großraumdisko entfällt wegen Müdigkeit.

Die Platten auf dem Buffet sind am nächsten Morgen pünktlich ausgetauscht, statt Schweinebraten nun Rührei, statt Gratin nun Schnittkäse, wieder all you can eat.

Gesegelt wird auch, bei den gleichen Bedingungen wie am Vortag und in ähnlichen Grüppchen, die dicht beieinander liegen und sich um die Platzierungen prügeln. Endlich der sehnsüchtig erwartete Positionstausch: Claus Heeschen segelt nun mit Catrin, die steuert. Im vierten und letzten Lauf bemerkenswerte Ausnahmen von der Regel: Boris und Rainer statt auf dem ersten auf dem fünften, Andreas Jungclaus statt im Mittelfeld auf dem zweiten Platz. Den Lauf gewinnen Jens und Carsten. Andreas spendiert den Anleger.

Die Gesamtwertung habe ich nicht mehr parat - jedenfalls Boris und Rainer vor Jens und Carsten. Wer wissen will, wie es sich zwischen SPD-Wählern und Topfplanzen segelt, kommt im Frühjahr nach Zwischenahn - vielleicht hängt die Ergebnisliste der Herbstregatta ja noch.

Falk Stenger Crew GER 8441

PS.: Habe gerade gesehen, dass der Ergebnisroboter die Liste mittlerweile gefunden und ausgespuckt hat.